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Die Garten-Wollbienen (Anthidium manicatum)

Ein Portrait sehr erfolgreicher Eroberer

Text und Bilder © Markus Schuerch

Ist dir im Garten auch schon ein gelb-schwarzer Flugkörper aufgefallen, ungefähr so gross wie eine Honigbiene, der mit hoher Geschwindigkeit wild hin und her düst und eventuell deutlich grössere Fluginsekten wie Hummeln attackiert? In diesem Fall könnte es sich um ein Männchen der Garten-Wollbienen gehandelt haben.

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Abb. 1: Garten-Wollbienen an Saatesparsette.

Garten-Wollbienen sind erfolgreiche Eroberer. Sie sind die am weitesten verbreiteten Wildbienen, abgesehen von den relativ wenigen Wildbienen, die aktiv durch Menschen zu Bestäubungszwecken ausgesetzt wurden (Strange et al, 2011). Weshalb ist diese Wildbienenart so erfolgreich? Immerhin gibt es weltweit über 20‘000 Bienenarten (Danforth et al, 2019). Ist es das aggressive territoriale Verhalten der Männchen? Oder die evolutionär revolutionäre Erfindung der Benützung von pflanzlichen Wollhaaren, durchtränkt mit pflanzlichen Sekreten für die Brutzellen? Oder ??? Wir kommen darauf zurück.

Abb. 2: Garten-Wollbiene an Purpur-Leinkraut.

Garten-Wollbienen sind eine von zirka 600 Bienenarten in der Schweiz ( Amiet et al, 2019). Unsere allseits bekannte Honigbiene (Apis mellifera) ist eine davon.

Die Garten-Wollbienen kommen vor allem in Gärten von Dörfern und Städten vor. Sie gelten als Zivilisationsfolger. Sie wurden aber auch in Trockenhängen, Weinbergbrachen, sonnigen Waldrändern, in Lehm- und Tongruben sowie auf Industriehalden und Bahndämmen gefunden (Westrich, 2018). Die Weibchen fertigen in den unterschiedlichsten Hohlräumen wie Fensternuten, Felsspalten, Erdlöchern und Aehnlichem mehrere Brutzellen an, die sie je mit einem Ei versehen (Amiet et al, 2019). Sie besitzen eine spezialisierte Gesichtsbehaarung mit der sie Pollen sammeln können, den sie dann weiter in ihre Hinterleibssammelbürste transportieren (Amiet et al, 2019). Die Larven ernähren sich von dem Pollen und Nektar, den ihre Mutter für sie von Schmetterlingsblütlern (Fabaceae), Lippenblütler (Lamiaceae) und Wegerichgewächse (Plantaginaceae) gesammelt hat (Amiet et al, 2019). Die Brutzellen sind mit Pflanzenwolle versehen, die mit pflanzlichen Drüsensekreten z.B. des Kleinköpfigen Pippaus (Crepis cappillaris) oder des langhaarigen Habichtskrautes (Hieracium pilosella) durchtränkt werden (Amiet et al, 2019). Man vermutet, dass diese Sekrete antimikrobielle Eigenschaften besitzen und so die Brut z.B. vor Verpilzung schützen (Müller et al, 1996). Spezialisierte Haare an allen sechs Fussgliedern ermöglichen ein Einsammeln dieser pflanzlichen Drüsensekrete.

Garten-Wollbienen stammen von Wildbienen ab, die für den Brutzellenbau Harz verwenden. Harz ist Wasser abstossend und hat antimikrobielle Eigenschaften (Müller et al, 1996). Dies soll die Brut unter anderem vor Verpilzung schützen. Man kann spekulieren, dass die neue Brutzellenbau-Strategie – ohne Verwendung von Pflanzenharzen - einfacher zu realisieren ist, da die Bauelemente eventuell einfacher zugänglich sind und dass die durchtränkten Pflanzenwollhaare eine ähnlich schützende Wirkung auf die Brut haben wie Harz. Es konnte jedenfalls nachgewiesen werden, dass durchtränkte Pflanzenwollhaare vor parasitären Erzwespen schützten (Eltz et al, 2015).  

Man kann die Garten-Wollbienen vom Juni bis August/September beobachten (Wirz et al, 1988). Sie leben solitär. Das heisst, die Weibchen bauen und verproviantieren die Brutzellen ohne Hilfe von Artgenossen, wie die meisten anderen Wildbienenarten. Die Garten-Wollbienen können ein bis mehrere Generationen pro Jahr haben (Westrich, 2018, Harris Kurtak, 1973, Severinghaus et al 1981). Die letzte Generation überwintert als Ruhelarven in einem Kokon (Westrich, 2018).

Garten-Wollbienen sind wie oben erwähnt erfolgreiche Eroberer. Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet umfasst Europa, Nordafrika und Westasien. Von diesen Stammlanden wurden sie so zu sagen als blinde Passagiere weit über die Erde verbreitet: in den Staat New York, nach Kanada, Südamerika, den Kanarischen Inseln und nach Neu Seeland. Offensichtlich konnten die Garten-Wollbienen in diesen neuen Umgebungen gut überleben und sich dort sogar weiter ausbreiten.

Garten-Wollbienen kommen häufig in menschlichen Siedlungen vor. Das begünstigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Brutzellen mit Hilfe von menschlichem Transportgut weit verbreitet werden. Zudem ähneln sich urbane Gegenden weltweit bezüglich Pflanzenzusammensetzung (McKinney 2005). Garten-Wollbienen finden somit auch auf neuen Kontinenten ähnliche Pflanzen vor, mit denen sie gut zurechtkommen. So fanden Forscher Garten-Wollbienen in Neuseeland auf mehr als 51 Pflanzenarten aus 15 Familien (Soper et al, 2013). Mehr als 80% der besuchten Pflanzen waren nicht einheimisch, und gehörten hauptsächlich den Familien Lippenblütler (Lamiaceae) und Wegerichgewächse (Plantaginaceae) an.

Männchen der Garten-Wollbienen verteidigen Territorien, die durch das Vorkommen von Wirtspflanzen definiert sind, die die Weibchen zur Pollen- und Nektar-Suche anfliegen. Forscher fanden, dass Männchen das sehr effizient ausführten: Am häufigsten wurden Honigbienen attackiert. Aber auch deutlich grössere Insekten wie Hummeln oder Holzbienen wurden attackiert und nicht selten lebensbedrohlich verletzt. Bei solchen Attacken benützen die Männchen fünf Dorne der letzten zwei Hinterleibs-Rückenschilder als Waffe.

 

Abbildung 3: Garten-Wollbienen Männchen mit Hinterleibsdornen.

Es wurden vor allem Nektar und Pollen suchende Insekten attackiert. Art fremde Insekten, meist Honigbienen, wurden deutlich häufiger und mehr als einmal pro Minute attackiert als artgleiche Männchen. Wurden Revierbesitzer entfernt, nahm die Häufigkeit der Blüten besuchenden Insekten rasch zu. (Wirz et al 1988). Grössere Männchen hatten auch grössere Reviere und grösseren Paarungserfolg. In diesem Zusammenhang ist interessant zu wissen, dass die Männchen der Garten-Wollbienen im Durchschnitt, unüblich für Bienen, grösser sind als die Weibchen (Severinghaus et al, 1981).

A manicatum Paarung 1.jpg

Abbildung 4: Garten-Wollbienen Paarung auf Purpurleinkraut.

Der Nutzen dieses territorialen Verhaltens scheint offensichtlich: Die Männchen offerieren Weibchen ungestörtere Blütenbesuche. Dafür haben sie wahrscheinlich eher Gelegenheit, sich mit Weibchen zu paaren. Es wurde festgestellt, dass Männchen fast jede Minute mit artgleichen Weibchen interagierten und sich durchschnittlich 12 Mal pro Stunde paarten (Wirz et al 1988). Die Weibchen verpaaren sich mit mehreren Männchen. Sie sind schon nach 35 Sekunden wieder für eine neue Kopulation bereit (Severinghaus et al, 1981).

Die Erfolgsgeschichte der Garten-Wollbienen basiert auf mehreren Besonderheiten: Als Zivilisationsfolger haben sich diese Bienen eine wichtige Voraussetzung geschaffen, weltweit mit menschlicher Hilfe verbreitet zu werden. Dabei ist der Umstand sicher hilfreich, dass sich die urbanen Pflanzenwelten weltweit ähneln. Das vereinfacht offensichtlich das Einleben und Weiterverbreiten in den neuen Gegenden. Die evolutionär neuartige Brutzellenbauweise mit Verwendung von durchtränkten Pflanzenwolle und Verzicht auf Harz als Hauptbaumaterial, scheint ebenfalls den Bruterfolg dieser Bienenart zu verbessern. Zusätzlich trägt wahrscheinlich auch das aggressiv territoriale Verhalten der Männchen zur Erfolgsgeschichte dieser besonderen Bienenart bei. Die gelb-schwarze, den Wespen ähnliche Körperzeichnung übt zudem sicher auch eine gewisse Schutzwirkung aus.

Zitierte Literatur

Amiet F, et al (2019) Bienen Mitteleuropas. 3. Korrigierte Auflage. 424 Seiten. Haupt Verlag. ISBN 978-3-258-08104-5.

Danforth, BN et al (2019)  The Solitary Bees. Biology, Evolution and Conservation. Princeton University Press. Kindle-Version. 472 pp.  ISBN 9780691168982

Eltz T, et al (2015) Plant secretions prevent wasp parasitism in nests of wool-carder bees, with implications for the diversification of nesting materials in Megachilidae. Front. Ecol. Evol., 06 January 2015.  https://doi.org/10.3389/fevo.2014.00086.

Harris Kurtak B (1973) Aspects of the biology  of the European bee Anthidium manicatum (Hymenoptera, Megachilidae) in New York state. Cornell University, Master Thesis.

Litman JR, et al (2011) Why do leafcutter bees cut leaves? New insights into the early evolution of bees. Proc. R. Soc. B Biol. Sci. 278, 3593–3600. doi: 10.1098/rspb.2011.0365.

McKinney ML (2006): Urbanization as a major cause of biotic homogenization. Biological Conservation. 127(3):247-260. DOI:10.1016/j.biocon.2005.09.005

Müller A, et al (1996) Collection of Extrafloral Trichome Secretions for Nest Wool Impregnation in the Solitary Bee Anthidium manicatum. Naturwissenschaften 83, 230-232.

Severinghaus LL, et al (1981) The Reproductive Behavior of Anthidium manicatum (Hymenoptera: Megachilidae) and the Significance of Size for Territorial Males. Behav Ecol Sociobiol. 9: 51 – 58.

Soper J, et al (2013) Assessing the impact of an introduced bee, Anthidium manicatum, on pollinator communities in New Zealand. New Zealand Journal of Botany. 51:3, 213-228. DOI: 10.1080/0028825X.2013.793202.

Strange JP, et al (2011): Global invasion by Anthidium manicatum (Linnaeus) (Hymenoptera: Megachilidae): assessing potential distribution in North America and beyond. Biol Invasions. 13: 2115–2133. DOI 10.1007/s10530-011-0030-y.

Westrich P (2018) Die Wildbienen Deutschlands. 824 Seiten. Ulmer Verlag. ISBN 978-3-8186-0123-2.

Wirz P, et al (1988) An Extreme Case of Interspecific Territoriality: Male Anthidium manicatum (Hymenoptera, Megachilidae) Wound and Kill Intruders. Ethology 78, 159-167.

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